„Vorauszusehen war es nicht“, sagt Raimund H. (Name von der Redaktion geändert) rückblickend. Als er mit Mitte 30 bei einer mittelständischen IT-Beratung anheuerte, war es für ihn ein Karrieresprung: Die SAP-Beratung für namhafte Kunden in der Automobilindustrie verhieß spannende Projekte, ein hohes Einkommen und viel Eigenständigkeit im Arbeitsalltag, die er bei seinem früheren Arbeitgeber immer etwas vermisst hatte.
Die nächsten Jahre verliefen rasant – Leben im IT-Schnellzug sozusagen. Denn bevor das erste Projekt zu Ende war, lief das zweite an. „Wir hatten Arbeit ohne Ende und kaum Personal, da wir schnell expandierten“, erinnert sich Raimund H., „und die Entscheidungen der Kunden fielen immer kurzfristiger.“
Der Erfolg brachte noch mehr Aufträge, noch mehr Projekte. Sechs Jahre hielt der SAP-Berater durch, arbeitete bis spät in die Nacht und an Wochenenden. Dann, mit Anfang 40, bemerkte er, dass irgendetwas nicht mehr stimmte: „Wenn ich abends um halb zehn völlig müde heimgekommen bin, hat mir meine Frau von den Kindern erzählt. Ich hörte es, konnte es aber nicht aufnehmen“, erinnert er sich. „Ich lebte in einer Art Parallelwelt: Der Arbeit musste alles andere untergeordnet sein, da ich das Pensum sonst nicht mehr hätte leisten können.“
Auch Willi Griephan hat die Schnelllebigkeit der IT-Branche am eigenen Leib erlebt. Der 58-Jährige arbeitet heute als selbstständiger Berater in Bremen. Bis vor fünf Jahren war er Softwarearchitekt bei einer hessischen Unternehmensberatung. Zu deren Kunden zählten hauptsächlich Banken und Versicherungen. Design und Realisierung von Infrastrukturen sowie Customer-Relationship-Managementsystemen gehörten unter anderem zu seinen Aufgaben. „Ich war dabei als Softwarearchitekt für die technische Umsetzung zuständig“.
Als es seinem Arbeitgeber wirtschaftlich schlecht ging, machte dieser den technischen Bereich kurzerhand dicht und setzte die betroffenen Mitarbeiter auf die Straße. Künftig sollten bei Bedarf Freiberufler angeheuert werden. „Die Branche hat sich gewandelt“, sagt Griephan.
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4 Kommentare zu IT-Fachkräfte in der Krise: Ab 40 wird ausgemustert
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Die alten teuren Fachkräfte
müssen ja irgenwann mal gegen frische Ware ausgetauscht werden, die schnell Code runterhacken. Wenn der Code dann scheisse ist läuft man zur Kanzlerin, jammert etwas von Fachkräftemangel und hofft dann auf billige, willige und braungebrannte Jungs aus Bangalore oder verlegt seine IT Abteilung gleich dahin, wie zB eine deutsche TELCO oder ein Bankhaus das macht. Eigentlich müssten die dann deutsch durch indisch ersetzen. Bleibt zu hoffen, das ein noch deutsches Bahnunternehmen sowas nicht macht, einige Züge kommen den indischen ja schon recht nah. Zum Glück sind die Jungs aus Bangalore schlau, und gehen gleich dorthin, wo ordentlich bezahlt wird. BITKOM und Co können schön bei Angie weiterjammern.
Ältere IT-Fachkräfte gehören in Projekte
Die Diskussion um die Ausmusterung der über 40jährigen vergißt, die Rahmenbedingungen in Frage zu stellen. Das kann auch ein Grund für die Betonung der Altersfrage sein: Angst schüren unter den Mitarbeitern, damit sie nicht mehr kritisch Entscheidungen und Prozesse hinterfragen, die natürlich nicht naturbedingt passieren. In dieser Art kann Innovation auch grundsätzlich unterdrückt werden. Denn es ist zu bemerken, dass Innovationen nur wenig mit Jugend direkt zu tun haben, sondern mit Nachdenken. Und es ist manchmal so, dass Erfahrenere kürzere Wege im Nachdenken benötigen als Jüngere, die noch nicht so viel Erfahrung haben. Also ist meine Devise: cool bleiben auch als über 50 jähriger.
AW: Ältere IT-Fachkräfte gehören in Projekte
Es bleibt nichts anderes übrig als cool zu bleiben. Als arbeitsloser 50er gibt es kaum eine Chance auf Vermittlung. Ich habe das hinter mir und mache mich jetzt als IT-Berater selbständig. Was soll man auch anderes tun, wenn man sich nicht als so alt fühlt wie die Gesellschaft es meint.
Problematik bekannt – Konzerne in der Verantwortung
Wieso soll es in der IT anders sein als in anderen Industriezweigen?
Mangelndes Verantwortungsgefühl der Manager wird sich früher oder später auch hier rächen.
Durch Verzicht auf die Erfahrung langjähriger Mitarbeiter verschleudert die Wirtschaft jährlich Milliarden.
Durch die Auslagerung zu Dienstleistern vor Ort oder sogar in andere Kulturkreise wird die Verschwendung noch gesteigert, da der Reibungswiderstand hoch ist.
Persönlich finde ich die Entwicklung nicht nur bedenklich sondern auch gefährlich. Knowhow geht nicht nur verloren, sondern wird erst gar nicht mehr gebildet. Das eigene IT-Personal wird einfach verbrannt und dann weggeworfen. Ein grundlegendes Umdenken ist dringend nötig!
Das fängt bei der Ausbildung an, sollte mit normalen/geregelten Arbeitszeiten weitergehen und für Ältere angepasste Karierepläne beinhalten.